Editorial 4/2024
Gesundheitsdatenraum – ein Fass ohne Boden?
Gesundheitsdatenraum – ein Fass ohne Boden?
Im Januar 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) in die Regelversorgung übergehen. Die Ärzteschaft sieht das durchaus kritisch. Eine Flut von breit angelegten Daten vergrößert den zeitlichen Aufwand, verbessert jedoch nicht zwingend die Diagnostik im Einzelfall. Müssen wir jedes Mal die gesamte Akte lesen, wenn uns ein Patient oder eine Patientin wegen vergleichsweise harmloser Beschwerden aufsucht? Was gibt die Sorgfaltspflicht vor? Hier fehlen den Beteiligten die praktischen Erfahrungen im täglichen Umgang mit der ePA. Die Einführung zum Stichtag zeigt die praxisferne Einstellung von Herrn Lauterbach.
Von der Einführung per Erlass haben bis heute weder Patienten noch Ärzte profitiert, weder bei der eAU noch beim eRezept. Diese Prozeduren ändern den Workflow in der Praxis, kosten Zeit und Geld. 10 Euro für den Erstbefüller einer Patientenakte decken längst nicht die Kosten und den Aufwand und sind eher peinlich.
Wir sollten uns überlegen, für den Selbstzahlerbereich die Dokumentation separat zu führen. Dies wird für Flexibilität und Workflow sorgen. Die Leistungen werden nach GOÄ abgerechnet. Für Privatversicherte und Selbstzahlende ist die Regelung zur elektronischen Patientenakte – im Gegensatz zum GKV-Patienten mit seiner sechswöchigen Widerspruchsfrist in Bezug auf die ePA – ohnehin flexibel, das heißt sowohl der Arzt wie auch der Patient können ihr zustimmen oder sie ablehnen. Da die Patientinnen und Patienten im ästhetischen Bereich als Selbstzahlende definiert sind, erscheint eine Vermischung mit der ePA nicht sinnvoll. Eine erweiterte Dokumentation eröffnet uns auch die Möglichkeit, bei stigmatisierenden Erkrankungen aber auch bei anstehenden Anpassungen der geschlechtlichen Identität etc. im Einvernehmen mit dem Patienten bzw. der Patientin im vertraulichen Umfeld 1:1 zu kommunizieren.
Diese Daten gehören nicht in eine in der Cloud gespeicherte Patientenakte, die im Zeitalter von KI und Supercomputern mit bisherigen Mitteln nicht mehr geschützt werden kann. Wer glaubt denn ernstlich daran, dass in Zeiten von unsicheren IT-Security-Dienstleistern wie Cloudstrike und weltweiten Angriffen auf das Datennetz ausgerechnet die deutsche Gesundheitsakte außen vor bleiben wird?
Auch über die Kosten des Unterfangens „Telematikinfrastruktur in Zeiten des stetig steigenden Energieverbrauchs KI-lastiger Systeme“ sollten wir uns rechtzeitig Gedanken machen. Der Gesundheitstopf kann das nicht alleine leisten. Die Ärzteschaft soll all dies für die Praxis neben einer lächerlichen TI-Pauschale aus eigener Tasche bezahlen und dazu noch die Verantwortung für Datenschutz und Datensicherheit übernehmen?
Da fällt einem doch der Eid des Hippokrates ein, dem wir uns hoffentlich immer noch verpflichtet fühlen, mit seinem strikten Gebot der persönlichen Schweigepflicht. Er ist seit Jahrtausenden das entscheidende Bindeglied zwischen Ärzten und Patienten, ohne deren Vertrauen wir blind sind.
In den Augen zahlreicher Politiker ist der Arzt der Zukunft ein Behandler wie die MFA oder der Heilpraktiker. Als staatlich installierter Gesundheitsdienstleister soll er KI-gesteuert und budgetiert als Rädchen im Gesamtsystem funktionieren. Hier darf ein jeder sich eigene Gedanken zu diesem Thema machen. Unser Alleinstellungsmerkmal als selbstständiger Arzt ist der Hippokratische Eid. Als Co-Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der hessischen Landesärztekammer habe ich immer darauf geachtet, dass dessen Prinzipien eingehalten werden.
Auch der Lauterbach`sche Ruf nach Wissenschaft und Forschung via ePA muss hier gerade im Hinblick auf den Datenschutz und das Selbstbestimmungsrecht kritisch geprüft werden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. hat ein entsprechendes Verfahren angestrengt (https://go.sn.pub/Freiheit).
Es ist an der Zeit, dass hier die nachfolgende Generation Verantwortung übernimmt, sich mit diesen Themen intensiv beschäftigt und sich nicht von oben ihre Berufsausübung vorschreiben lässt.
Dr. Matthias Herbst
Spezielle Informationen für Laien zum Thema Haut, Hautpflege und Kosmetik
ästhetische dermatologie & kosmetologie 5/2024
Themenschwerpunkte aus allen Bereichen der ästhetischen Dermatologie