Editorial 2/2021
Impfen, Impfen, Impfen
Spätestens kurz vor Ostern 2021 wurde wohl jedem Bürger in Deutschland klar, dass die Bundesregierung über kein schlüssiges Konzept zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verfügt. Zu diesem Zeitpunkt jagte uns die britische Mutante seit Wochen in immer neue Höchststände – trotz dieser Zahlen wurde kurz vor Redaktionsschluss stattdessen über Öffnungen statt schärferer Ausgangsbeschränkungen diskutiert. Wo zunächst die Masken fehlten, sind mittlerweile noch immer nicht genügend Tests vorhanden. Letztlich fehlen aber die Impfstoffe, die den Ausgang der Pandemie positiv beeinflussen, ja schnell beenden, könnten. Wie es passieren konnte, dass das mRNA-gestützte Impfverfahren in Deutschland entwickelt wird, dann aber die entscheidenden Impfdosen fehlen, ist letztendlich nicht geklärt. Welche Rolle die EU spielte, ein in Zwänge und Länderhoheiten eingeschnürtes Kanzleramt, ein bemühter Gesundheitsminister mit Drang zur Selbstdarstellung, eine Kanzlerin, die sich für eigentlich richtige Entschlüsse entschuldigt, ein knallhart auf Impfstoffversorgung ausgerichteter großer Verbündeter namens USA oder ein Boris Johnson, der nach einem Brexit nichts mehr zu verlieren hatte – die Geschichtsschreibung wird zeigen, was in diesen Tagen eigentlich wirklich ablief. Unter dem Strich bleibt das Problem die Impfstoffmenge. Ob BioNTech, AstraZeneca, Johnson & Johnson, CureVac oder Novavax oder gar Sputnik V, man spürt den verzweifelten Versuch der Verantwortlichen, irgendwoher entsprechenden Impfstoff in der notwendigen Menge herbeizuschaffen. Auffällig ist dabei, wie Regularien und Bürokratismen diesen Prozess begleiten, wie sich ein Großteil der Verantwortlichen in nicht mehr zu überblickenden Bestimmungen und Prozessen verfängt. Eine der großen Lehren aus dieser Pandemie wird sein, ein schlagkräftiges Staatswesen mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts neu zu bauen, hoffentlich mit angemessenem und kritischem Einsatz neuer Medien und Möglichkeiten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wo wir beispielsweise in der Digitalisierung wirklich stehen und wie wichtig rechtzeitige Prävention und Strategie sind. Das gilt wie immer auch für die eigene Berufspolitik.
Der Dermatologe, also der Hausarzt der Haut, soll laut Politik zunächst weiter abwarten, bis die Hausärzte zunächst einmal zumindest symbolisch 20 Dosen pro Woche in die Oberarme ausgewählter Patienten versenkt haben. Und schon wieder erscheint in der Ferne der Ruf nach Beachtung von Priorisierungsregelungen deutscher und europäischer Ethikkommissionen. Dazu kommt dann noch ein entsprechender Packen an Formalitäten, den es vor jeder Impfung zu bearbeiten, auszufüllen und auch zu unterschreiben gilt (wozu gibt es eigentlich die Telematik im Gesundheitswesen, wenn nicht zur Erleichterung dieses Prozesses?).
Dankenswerterweise hat der Kanzleramtsminister Braun darauf hingewiesen, dass bei einer Impfung in eine neue Pandemiewelle hinein die Gefahr von Mutationen steigt, die unter Umständen nicht mehr auf die vorhandenen Impfstoffe ansprechen und auch gefährlicher wirken könnten. Das wissen wir nicht erst seit gestern! 20 Millionen Impfdosen werden Jahr für Jahr bei der Grippeimpfung innerhalb weniger Monate überwiegend von den Hausärzten „verimpft“. Zusammen mit Fach- und Betriebsärzten schaffen wir schnell die doppelte Menge. Dann wäre im Sommer 2021 die Pandemie in Deutschland zumindest weitestgehend eingedämmt, unterstützt durch eine sinnvolle und durchaus datenschutztaugliche App, die alle Prozesse klar nachvollziehbar macht, bis hin zur dadurch möglichen Öffnung von Kultur, Gastronomie und Einzelhandel.
Was hindert uns also daran, endlich einmal Gas zu geben und zu impfen, was zu impfen ist – bis meinetwegen die Nadel glüht wie in den USA oder Israel? Ich denke: Haben wir Impfstoff und zwar endlich genug Impfstoff, dann sollten auch wir im Sinne der ärztlichen Ethik tätig werden und durch entsprechendes massives Impfen die Gefahr für unsere Patienten minimieren. Nicht zuletzt wollen wir auch irgendwann wieder einmal unseren täglichen dermatologischen Fähigkeiten und Fertigkeiten nachgehen und nicht über Jahre hinweg den langsamen Pandemie-Tod im Gesundheitswesen sterben. Denn die Kosten und die damit verknüpften deutlichen Steuererhöhungen werden uns noch sehr lange begleiten. Was am Ende an dauerhaften Einschränkungen bleibt, ist heute noch nicht absehbar. Dass Deutschland 2021 am Anfang eines notwendigen massiven Umwälzungsprozesses steht, spürt jeder. Hoffen wir auf einen guten Ausgang!
Das Wichtigste: Bleiben Sie gesund!
Dr. Matthias Herbst
Spezielle Informationen für Laien zum Thema Haut, Hautpflege und Kosmetik
ästhetische dermatologie & kosmetologie 5/2024
Themenschwerpunkte aus allen Bereichen der ästhetischen Dermatologie